Tradition heißt nicht die Asche aufheben, sondern die Flamme
weiterreichen. (Ricarda Huch)

lebendiges Wasser
(Joh 7, 37-39)

Liebe Gemeinde,

Jesus ist gegangen; das war Himmelfahrt. Der Heilige Geist kommt; das wird Pfingsten sein. Und wir, wir stehen mit dem heutigen Sonntag Exaudi sozusagen genau dazwischen.

Das Schlüsselelement für diesen Sonntag ‚dazwischen‘ ist das Wasser: In der alttestamentlichen Verheißung ist es uns begegnet: Auf ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Im Evangelium ist es angeklungen: Wer Durst hat, der komme zu mir und trinke. Aus ihm werden Ströme lebendigen Wasser fließen. Und auch der Psalm und die Lieder haben vom Wasser gesprochen: Sanft fallen tropfen, sonnendurchleuchtet. Bei dir ist die Quelle des Lebens. Und: Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad und ewge Quelle bist.

Nun könnte ich zum Wasser natürlich unendlich viel sagen. Und wenn wir uns vor Augen führen, dass das Wasser hier als Bild zu verstehen ist, weil der Heilige Geist eben auch ausgegossen wird, dann gibt es noch viel mehr Bezüge. - Um in dieser Fülle nicht unterzugehen, möchte ich mich mit meiner Predigt auf drei Aspekte beschränken und mich dabei ganz nah an den Evangeliumstext halten.

Das erste ist: Es geht um lebendiges Wasser. Das heißt, es geht um Wasser, das fließt, im Freien fließt, das lebendig ist. Was das bedeutet, das haben die Jünger und Jesus damals direkt vor Augen: Da ist zum einen der See Genezareth. Am Fuße des Hermongebirges gelegen, bekommt er sein Wasser direkt von der Quelle. Dieses Wasser durchströmt den See, unaufhörlich. Denn alles Wasser, das er bekommt, gibt er wieder in den Jordan ab. Das aber macht ihn lebendig und das ist die Grundlage für den Fischreichtum im See und die üppige Vegetation am See.

Den krassen Gegensatz dazu finden wir 150 km weiter südlich. Hier liegt ein gewaltiger Salzsee, mit 408 Metern unter dem Meeresspiegel der Tiefpunkt der Erde überhaupt. Auch dieser See speist sich über den Jordan, indirekt also aus derselben Quelle wie der See Genezareth. Aber von dem Wasser, das ihn erreicht, gibt er nichts ab. Es gibt keinen Durchfluss, nur noch Verdunstung. Und die Folgen sind dramatisch: Denn was zurückbleibt ist Salz, soviel Salz, das alles Leben im See unmöglich ist. Und so heißt dieser See denn auch Totes Meer.

Lebendiges, also Leben spendendes Wasser gibt es nur, wo es Zulauf und Ablauf gibt. Und wenn aus uns Ströme lebendigen Wasser fließen sollen, dann bedeutet das: Nur wo wir nehmen und geben, wo es kommen und gehen, Zulauf und Ablauf gibt, nur da kann Leben wachsen und gedeihen.

Das heißt auch: Empfangen ist das eine. Aber wer nur behalten und den Bestand sichern will, der wird nicht dauerhaft überleben können. Und es bedeutet auch: Wir können uns zwar für eine Weile bevorraten, und das ist auch gut und richtig so. Aber dauerhaft vom Eingemachten leben, das wird nicht gehen. Das Leben wird dann muffig und ungenießbar, wie abgestandenes Wasser.

Und dies, so entnehme ich den Worten Jesu, gilt nun nicht nur im Leben allgemein. Es gilt auch im Glauben. Denn auch den Heiligen Geist haben wir nicht und wir können uns dauerhaft nicht mit ihm bevorraten. Weil auch er fließt. Und weil auch er nur lebt, wenn er kommt und geht und weht, wo er will.

Dass wir uns als Christen auf dieses Wagnis einlassen, das ist das Erste, was ich dem Bild vom lebendigen Wasser entnehmen. Denn wir sollen dem See Genezareth gleichen und nicht dem Toten Meer.

Es braucht lebendiges Wasser, das ist das Erste. Das Zweite klang schon an: Die Ströme lebendigen Wasser sollen aus uns fließen. Wir alle sollen überfließen durch den Geist, der uns verheißen ist. Natürlich ist der Glaube der Schlüssel: Von der Quelle des Lebens zu trinken heißt, sich Jesus anzuvertrauen. Dann aber sollen wir überfließen und so selber zur Quelle für andere werden.

Martin Luther drückt das so aus: Ströme sollen fließen, Wasser, das lebendig macht. Wer zu mir kommt, den will ich zubereiten, dass er nicht allein für seine Person gelabt und erquickt werden soll…, sondern ich will ihn zu einem starken Fass machen, will ihm den Heiligen Geist und Gaben geben, dass er zu anderen Leuten fließe, … ((und)) vielen anderen Leuten diene, sie tränke, wie wir getränkt sind, sie tröste, wie wir getrost sind.

Das heißt: Die Gabe des Heiligen Geistes ist zugleich unsere Aufgabe. Nehmen und geben, beides sollen wir, damit der Geist in uns lebendig bleibt. Hier ist nicht geben seliger denn nehmen, sondern im Glauben gehört beides zusammen und muss im rechten Verhältnis zueinander stehen. Denn wenn dieses Verhältnis nicht stimmt, dann wird es schwierig: Nur nehmen und nicht geben bringt andere in Not. Nur geben und nicht nehmen bringt uns selbst in Not.

Deshalb: Es ist gut, wenn wir den Geist und unsere Gaben nicht nur bei uns bunkern, starke Fässer, die wir sind, sondern wenn wir ihn zu uns fließen und von uns aus weiter fließen lassen, den Menschen zum Wohl und uns zum Heil.

Es braucht lebendiges Wasser, das ist das Erste. Wir sollen dieses Wasser von uns aus fließen lassen, das ist das zweite. Das Dritte was mir wichtig ist, hängt mit einem besonderen Zeitpunkt zusammen: Jesus spricht diese Worte von den Strömen lebendigen Wassers nämlich nicht irgendwann. Er spricht sie vielmehr am letzten Tag des Festes.

Das Fest, um das es geht, ist Sukkot, das Laubhüttenfest. Dieses Fest hat viel mit dem Wasser zu tun, denn zu diesem Fest gehörte sogar eine Wasserprozession: Wasser wird über den Altar gegossen. Und damit wird um ein regenreiches und damit um ein gesegnetes Jahr gebeten.

Darüber hinaus aber hat dieses Fest besonders mit der Freude zu tun. Sukkot ist ein ausgelassenes, ein fröhliches Fest. Die Freude ist förmlich sein Markenzeichen. Und sie gibt diesem Fest seinen unverwechselbaren Charakter.

Wenn ich auch dies auf den Heiligen Geist und auf uns heute übersetze, dann bedeutet das: Die Leute sollten uns anmerken und abspüren, dass der Heilige Geist uns durchströmt. Sie sollten es an der Freude merken, der Freude, die wir ausstrahlen. Sie sollten durch uns merken: Trinken, von der Quelle lebendigen Wassers trinken, ist nicht nur eine Lebensnotwendigkeit. Es ist zugleich eine fröhliche Sache.

Lebensfreude: Wir sollten sie nicht geringachten, sondern hoch und heilig halten. Gerade weil uns das Leben oft seine ernsten und zuweilen auch traurigen Seiten zeigt: Gerade deshalb sollten wir Lebensfreude verströmen und so Zeugen seines Geistes sein.

Wer Durst hat, der komme zu mir und trinke. Aus ihm werden Ströme lebendigen Wasser fließen. So wollen wir trinken und dann selber zur Quelle lebendigen Wassers werden, die andere nährt. Und wir wollen dies mit Freude, mit Lebensfreude tun. Damit andere gern kommen. Und damit sie merken, dass wir leben, was wir jetzt singen und beten: Jesus ist kommen Grund ewiger Freude.

Amen

 

 

12. Mai 2024 - Pastor Olav Metz

 

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