Tradition heißt nicht die Asche aufheben, sondern die Flamme
weiterreichen. (Ricarda Huch)
Und dann: Zacharias!
(Lk 1,67-79)
Liebe Gemeinde,
das Evangelium für den heutigen 3. Advent steht bei Lukas direkt vor der uns allen vertrauten Weihnachtsgeschichte. Es ist sozusagen die Vorgeschichte zur Weihnachtsgeschichte und es ist eine ganz besondere Adventsgeschichte.
Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen Zacharias und Elisabeth, ein schon etwas in die Jahre gekommenes Ehepaar, das leider kinderlos geblieben ist. Als dem Paar dennoch von einem Engel die Geburt eines Sohnes verheißen wird, regen sich bei Zacharias nicht unberechtigte Zweifel: In unserem Alter sollen wir noch ein Kind kriegen?!
Aber es kommt tatsächlich so: Sie bekommen einen Sohn, Johannes den Täufer. Weil aber Zacharias‘ Zweifel größer waren als sein Gottvertrauen, verschlägt es ihm förmlich die Sprache. Gott verschlägt ihm die Sprache: Für die Zeit der Schwangerschaft ist Zacharias stumm. Und während die schwangere Elisabeth voller Freude Maria empfängt und die ihren Lobgesang– das berühmte Magnificat – singt, steht er schweigend dabei.
Ich glaube, diese Erfahrung machen viele Paare, die ein Kind kriegen: Die Mutter ist zunächst mal sehr viel dichter dran, weil sie das Kind neun Monate lang spürt und mit ihm lebt. Für sie ist die Schwangerschaft oft eine Zeit intensivster Empfindungen. Für den Vater dagegen beginnt der Kontakt zum Kind in der Regel erst so richtig mit der Geburt. Die Schwangerschaft ist für ihn eher eine Zeit des Wartens.
Genau dies ist für mich aber ein erster Hinweis auf den Advent: auch im Advent warten wir ja. Wir warten auf ein Kind, auf Jesus. Wir gehen im Bilde gesprochen sozusagen mit ihm schwanger. Und da gehört genau dies beides dazu: Dass wir wie eine Mutter intensiv zu empfinden versuchen, was da in uns und durch uns zur Welt kommen will. Und dass wir wie ein Vater warten lernen, und dies vielleicht gerade dadurch, dass wir schweigen und still werden und uns bei uns selbst einfinden, wie Zacharias damals. Denn sonst ist Weihnachten am Ende nur ein sehr äußerliches Ereignis. Und das wäre viel zu wenig.
Aber zurück zu unserer Geschichte: als das Kind geboren ist und Zacharias auf einer Tafel notiert: Er soll Johannes heißen, da findet auch er wieder Worte. Und er singt. Und unser heutiger Predigttext, das ist sein Lied, also seine ersten Worten nach 9 Monaten des Schweigens.
Was singt Zacharias? – Nun, er sing Gott ein Loblied. Aber dieses Loblied ist noch mehr. Bei Lichte besehen ist es eigentlich ein Glaubensbekenntnis: Er, der bei der Ankündigung der Schwangerschaft noch am Wort Gottes gezweifelt hatte, sagt jetzt im Angesicht des Kindes ganz klar: Gott handelt, Gott hilft und Gott rettet. Und sein Lied unterstreicht das, denn in diesen wenigen Versen stecken - so haben die Bibelwissenschaftler herausgefunden – sage und schreibe 32 Zitate aus dem Alten Testament.
Für mich ist das ein zweiter Hinweis für den Advent. Zum Advent gehört nämlich, dass wir uns auf die Grundlagen unseres Glaubens besinnen, auf das, was uns trägt, in guten Zeiten, aber auch dann, wenn es uns die Sprache verschlägt. Der Grund dafür ist jedenfalls bei Zacharias damals genau der gleiche wie bei uns als Christen heute. Es ist der Gott der handelt und hilft und rettet. Und gut, wenn wir uns darauf besinnen, gerade jetzt in der Adventszeit.
Nun gibt es aber noch eine Besonderheit bei dem Lied des Zacharias, denn er singt sein Lied auf ganz besondere Weise. Und um das zu verstehen, müssen sie jetzt bitte nochmal genau auf den Text schauen. Schauen sie bitte mal nach den folgenden sieben Worten: Volk, besuchen, Retter, Prophet, Feinde, Hand und Väter. Fällt ihnen bei diesen Worten etwas auf?
Genau: Diese Worte kommen alle zweimal vor. Und sie laufen von hinten und von vorn auf eine Mitte zu. Chiastisch nennt man das. Die Mitte, das sind die Verse 72 und 73. Der Herr wird gedenken. Und Mein Gott hat geschworen. Und warum? – Weil diese Worte ein Sprachspiel sind, ein Sprachspiel mit den Namen der Eltern: Zacharias = Secharjia ist ja hebräisch. Und wenn man den Namen übersetzt, heißt das: Der Herr wird gedenken. Und Elisabeth = Elischawa auf hebräisch – bedeutet übersetzt: Mein Gott hat geschworen.
Auf dieses Sprachspiel läuft alles hinaus. Und das ist für mich ein dritter Adventshinweis. Diese besondere Form des Liedes zeigt mir: Es hat einen tiefen Sinn, die Zeit des Advents besonders und besonders schön zu gestalten. Zum Beispiel auch durch Musik und Gesang. Und wünschenswert wäre, dass ich gerade dadurch bemerke: Hier geht es um mich. Ich bin selber ein (Eltern-)Teil dieser Weihnachtsgeschichte. Dieses Kind soll in mir und durch mich zur Welt kommen. Es will mich berühren. Weil Gott handelt und hilft und jeden von uns rettet, auch wenn er oder sie nicht Zacharias oder Elisabeth heißt.
Damit komme ich zu meinem vierten und letzten Adventsgedanken. Und für den bitte ich sie jetzt, noch einmal genau auf den Text zu schauen. Es gibt nämlihc noch zwei Worte, die doppelt vorkommen: vor und erbarmen. Auch die sind chiastisch angeordnet. Sie führen uns zur zweiten Mitte dieses Textes. Und diese lautet: Du, Kind, wirst Prophet des Höchsten genannt werden.
Nein, Johannes ist nicht der Messias, der Christus. Er weist ‚nur‘ auf ihn hin. Er geht ihm voraus. Aber er ist deshalb nicht unwichtig, im Gegenteil. Ohne ihn hätten so manche nicht den Weg zu Jesus gefunden. Und darin sehe ich einen vierten und letzten Hinweis auf den Advent, denn das, so denke ich, ist unsere Aufgabe: Wir können und sollen heute Propheten des Höchsten sein und andere auf den hinweisen, der mit uns im Bunde ist und bleibt, der handelt und hilft und rettet.
Ich denke: Wenn wir diesem Glaubensgrund vertrauen und das weiterzusagen, dann hat alles Warten und Spüren und Schönmachen einen tiefen Sinn. Denn dann kommt er heute zur Welt, für uns und durch uns. Und dann ist wirklich Advent.
Amen
3. Advent 2025 - Pastor Olav Metz
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