Tradition heißt nicht die Asche aufheben, sondern die Flamme
weiterreichen. (Ricarda Huch)
Hoffnung für die Erde leben. Gerechtigkeit. Frieden. Schöpfung
(Gottesdienst im Rahmen der bundesweiten ökumenischen Kampagne der ACK,
gefeiert am 15. September 2024 in der Kreuzkirche Dresden
und an vielen anderen Orten in Deutschland)
Liebe Gemeinde,
ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie das damals war. Damals, 1988-89, als sich die ökumenische Versammlung dreimal traf, erst in Dresden, dann in Magdeburg und dann wieder in Dresden. So klar wie nie zuvor wurde über Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung diskutiert. Und wir warteten auf die Veröffentlichung dieser Abschlusspapiere (zeigen), die in nie zuvor formulierter Klarheit sagten: Es muss sich etwas ändern:
Wir als Kirchen müssen entschieden viel mehr tun für den Frieden, für die globale Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung. Ja, und mit der Wende 1989 verband sich bei mir auch die Hoffnung, dass sich in dieser Richtung etwas bewegt und dass die Welt ein wenig besser werden kann – auch durch unser Tun.
Liebe Gemeinde, das alles ist jetzt 35 Jahre her. Und wo stehen wir heute? Nora Steen, Bischöfin im Sprengel Schleswig und Holstein schreibt in ihrem Predigtimpuls für den Gottesdienst, der heute in Dresden und an vielen anderen Orten gefeiert wird:
In den Nachrichten begegnen uns die Auswirkungen des Klimawandelns nahezu täglich. Wir sehen Bilder von Fluten und Düren, erfahren von Kriegen um Rohstoffe und lesen von der Artenvielfalt, die erschreckend schnell abnimmt. Die Fakten liegen auf dem Tisch: Wir wissen, welche Folgen der Klimawandel für unsere Gesellschaft und unsere Welt haben kann. - Und ich ergänze: Schon jetzt hat. - Und trotzdem fällt es uns so schwer, etwas dagegen zu tun. Wir sind müde geworden. Und vielleicht haben wir auch die Hoffnung verloren, dass wir etwas bewegen können.
Müde geworden, die Hoffnung verloren: Zwischenzeitlich, so in den neunziger und nuller Jahren, hatte ich durchaus mal die Hoffnung, dass sich da was in die richtige Richtung bewegt. Gut, es ging alles langsam. Der Fortschritt ist eine Schnecke., hatte Günter Grass mal gesagt. Damit lernte ich, zu leben. Aber es bewegte sich etwas, im Bewusstsein der Menschen in der Gesellschaft und in der Politik.
Heute, 35 Jahre später, sieht das anders aus. Der Frieden ist gefährdeter denn je. Die Ungerechtigkeit in unserem Land und in der Welt wächst. Von einer nachhaltigen Bewahrung der Schöpfung kann keine Rede sein. Und Zulauf haben die, die populistisch behaupten, all diese Probleme seien eigentlich gar keine, wenn wir nur in die schöne alte Welt zurückkehren, in der wir angeblich mal gelebt haben.
Ja, diese Entwicklung hat mich müde gemacht und sie hat mir viele Hoffnungen geraubt. Aber – so schreibt Nora Stehen weiter - kann das die Lösung sein: Einfach so weiterleben, wie bisher? Die Augen verschließen? Resigniert aufgeben? Die Antwort darauf ist eindeutig: Wir wissen heute, dass Nichtstun den Zustand unserer Welt verschlimmern wird. Aber wie schaffen wir das: Wie gewinnen wir die Hoffnung zurück: für unser eigenes Tun und für unsere Erde? Mit dieser Frage kommt sie zu unserem Predigttext und schreibt weiter: Vielleicht so:
9 Eure Liebe soll aufrichtig sein. Verabscheut das Böse und haltet am Guten fest.
10 Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern. Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung.
12 Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Bedrängnis, beharrlich im Gebet!
15 Freut euch mit den Fröhlichen. Weint mit den Weinenden.
16 Seid alle miteinander auf Einigkeit aus. Werdet nicht überheblich, sondern bleibt demütig und baut nicht nur auf eure eigene Klugheit.
17 Vergeltet nicht Böses mit Bösem. Habt den anderen Menschen gegenüber stets nur Gutes im Sinn.
18 Lebt mit allen Menschen in Frieden – soweit es euch möglich ist.
21 Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!
Aufrichtig Lieben. Einander wertschätzen. Für den anderen das Gute wollen. Und Frieden halten, mit anderen und mit der Welt, soweit es mir denn möglich ist. Kann das was bringen? Wenn ich Paulus richtig verstehe, dann beantwortet er diese Frage mit einem eindeutigen Ja. Weil er sich sicher ist: An den Verhältnissen wird sich nur nachhaltig etwas ändern, wenn wir Menschen uns ändern. Denn unsere Haltung ist das Entscheidende.
Gott setzt genau an dieser Stelle an. Sein Weg beginnt in uns. Nora Steen schreibt: Die große Transformation – sie beginnt damit, dass Gott unsere Herzen berührt. Und wir zulassen, dass wir berührt werden. Uns auf das Wagnis einlassen, mitzufühlen: mit den Menschen, die mit uns auf dieser Welt leben und der Natur, die uns umgibt. Wo wir zulassen, dass wir berührt werden, spüren wir: So wie es ist, kann es nicht weitergehen! Damit kann die große Transformation in uns beginnen. Und die steht unter der Zusage Gottes: Du kannst! Vielleicht nicht die ganze Welt retten, aber die Hoffnung leben.
Sicher, das System ist auch heute weit größer als der kleine Stein, den wir bewegen können. Genau das haben wir aber bei der Ökumenischen Versammlung 1988/89 auch gedacht. Und dann ist plötzlich alles ganz anders gekommen, wider alles Erwarten und gegen allen Augenschein.
Meine Hoffnung ist, dass so etwas vielleicht auch heute möglich ist. Sicher, das ist nur eine Hoffnung. Gerade jetzt braucht es schon einen großen Glauben, und einen ganz langen Atem, an ihr festzuhalten. Und mehr denn je braucht es das Gebet, das weiß, das der Wandel, den es in unseren Herzen und in unserer Welt braucht, viel größer ist, als dass wir ihn allein aus eigener Kraft bewerkstelligen können.
Das ändert aber nichts daran, dass es ohne unser Tun nicht gehen wird. Deshalb lasse ich mir auch heute von Paulus sagen: Sei fröhlich in Hoffnung, geduldig in Bedrängnis, beharrlich im Gebet. Und deshalb mache ich mir und machen wir uns in unserer Gemeinde Gedanken: Was können wir tun, damit sich bei uns etwas ändert?
Dafür gibt es eine Zukunftswerkstatt und es gibt das Friedensgebet. Wir bemühen uns um einen schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen z.B. durch eine Pelletheizung, eine Photovoltaik-Anlage und E-Mobilität. Und wir pflanzen Bäume in der Hoffnung, dass unsere Kinder und Kindeskinder dermaleinst in ihrem Schatten sitzen werden.
Ich habe mir vorgenommen, da weiter meinen Teil zu tun, auch 35 Jahre nach der ökumenischen Versammlung und trotz aller traurigen Zeichen in unserer Zeit. Und meine Bitte an sie ist: Versuchen sie das auch: Behalten sie die Hoffnung, behalten sie den langen Atem trotz aller negativen Entwicklungen. Und halten sie fest am Gebet. Denn entscheidend ist, dass sich bei uns etwas ändert, in unseren Herzen und unseren Gedanken. Weil sich nur dann auch in unserer Welt nachhaltig etwas ändern kann.
Ich weiß, dass das die Aufgaben, die da vor uns liegen, unsere Möglichkeiten bei weitem übersteigen. Und ich weiß auch, dass die in uns und durch uns nötigen Transformationen allen Wahrscheinlichkeiten erheblich widersprichen. Aber vielleicht sind wir ja gerade deshalb Christen, damit wir an dieser Stelle sagen: Trotzdem.
Amen
15. September 2024 - Pastor Olav Metz
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