Tradition heißt nicht die Asche aufheben, sondern die Flamme
weiterreichen. (Ricarda Huch)

Wacht auf!
(Joel 1+2, 2-19 / Mattäus 6, 16-21)

Liebe Gemeinde,

die Situation war ernst aber man war sich des Ernstes der Lage offenbar nicht wirklich bewusst. Das Leben ging seinen gewohnten Gang, während die Zeichen des Unheils immer bedrohlicher wurden. Aus diesem Grund redet der Prophet Joel vor etwa 2.400 Jahren dem Volk Israel ins Gewissen und seine drastischen Worte haben wir als erste Lesung gehört.

Wie die Zeichen des Unheils heute aussehen, das muss ich Ihnen nicht erzählen. Die Weltpolitik steht Kopf. National und internationale Regeln werden außer Kraft gesetzt und es regiert zunehmend das Recht des Stärkeren. Unsummen wandern in die Rüstung, während das Geld für Wirtschaft, Soziales und für die Umwelt immer knapper wird. Dabei werden ein paar Milliardäre immer reicher, während die Armen und auch die sogenannte Mittelschicht ärmer werden. Entsprechend schlecht ist die Stimmung. Und als ob das nicht alles schon schlimm genug wäre, füttern uns die Netze derweil mit Fakenews und ‚alternativen Wahrheiten‘, manipulieren uns und verbreiten zusätzlich Angst und Schrecken.

Auch unsere Lage ist deshalb ernst. Und auch wir dürfen deshalb nicht einfach so weitermachen wie bisher. Ich höre die Worte des Propheten Joel deshalb als Worte für uns heute. Und ich finde in diesen Worten vier konkrete Vorschläge, was wir tun können.

Als erstes sagt Joel: Wacht endlich auf! In einem Beitrag zur Münchner Sicherheitskonferenz im Januar titelte die Süddeutsche Zeitung im Blick auf uns Deutsche: Meister im Verdrängen. Das gilt sicherlich nicht für alle und nicht in überall in gleicher Weise. Wahr ist aber wohl, dass nicht wenige in Deutschland meinen, wir könnten die alten Zeiten und die alten Sicherheiten wieder zurückholen. Und es gibt so einige, die glauben, dieses Problem wäre am besten mit den Rauswurf von Migranten zu lösen.

Nein, aufwachen heißt, sich endlich einzugestehen, dass wir wirtschaftlich und politisch, sozial und ökologisch einer völlig veränderten Weltlage gegenüberstehen, auf die wir neu reagieren müssen. Das müssen wir wahr- und annehmen. Und deshalb gilt auch für uns: Wacht endlich auf!

Der zweite Vorschlag aus Joels Mund lautet: Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider. Natürlich kann und soll jeder von uns sichtbar etwas tun: Welche Klamotten trage ich und wie lange? Welche materiellen Dinge möchte ich haben und welche brauche ich wirklich? Wie und wohin reise ich? Was und wieviel esse ich? Ich denke, da kann jeder von uns seinen Teil tun.

Joel aber sagt: Entscheidend ist dennoch deine innere, deine Herzenshaltung. Und das heißt: Was unser Wohlstand kostet, unserem Land, unserer Welt und auch unserer Umwelt, das sollen wir nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern zu Herzen nehmen. Denn erst wenn das geschieht, sind die Probleme bei uns wirklich angekommen.

Dazu müssen wir aber unseren Teil tun, indem wir uns nicht abschotten und die Probleme ignorieren, sondern uns öffnen und die Dinge an uns ranlassen. Deshalb sagt Joel. Zerreißt nicht eure Kleider, sondern eure Herzen. Und das ist deshalb der zweite wichtige Ratschlag für uns, den ich in seinen Worten finde.

Der Öffnung des Herzens folgt Joels dritter Rat. Fastet, so sagt er. Und ja: Fasten heißt verzichten. Es bedeutet, sich von bestimmten Dingen abzuwenden. Viele praktizieren das jetzt in der Passionszeit und verzichten z.B. auf Alkohol, Schokolade oder Fernsehen. Aber im Blick auf die großen Herausforderungen unserer Zeit kann dies nur eine Vorübung sein, eine Vorübung für den Verzicht, der nötig sein wird, wenn wir und unsere Kinder in unserem Land und in unserer Welt wirklich eine Zukunft haben wollen.

Der Verzicht ist nun aber nur die eine Seite des Fastens. Fasten bedeutet nicht nur, sich von diesem oder jenem abzuwenden. Es bedeutet zugleich, sich hinzuwenden, und zwar zu dem, was wirklich wichtig ist im Leben, hin – so sagt Joel - zum Gottesdienst. Denn wirklicher Gottesdienst ist, wenn wir Gottes Willen dienen, seinen Werten dienen, dem Leben dienen.

Genau darum geht es auch Jesus, wenn er sagt: Sammelt euch nicht Schätze auf der Erde, wo sie die Motten und der Wurm zerfressen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel. Auch damit ist nämlich nicht eine ‚Himmelskapitaleinlage‘ für ‚nach dem Tod‘ gemeint. Gemeint ist vielmehr, dass wir den Himmel hier und jetzt offen sehen können. Denn das Reich der Himmel – so sagt Jesus - beginnt heute und hier. Sein Himmel ist zur Welt gekommen; er ist um uns und in uns.

Für mich bedeutet Fasten deshalb, mich weniger von Äußerlichkeiten bestimmen zu lassen, sondern mehr nach dem zu schauen, was das Leben und Zusammenleben schön und wertvoll und sinnvoll macht. Und das sind dann oft Dinge, die man nicht konsumieren kann: Gemeinschaft, Gesundheit, ein gutes Wort, der Himmel und das Meer, ein Sonnenuntergang. Diese Dinge können uns den Himmel öffnen, heute und hier und mitten in unserem Leben.

Gottesdienst heißt nun aber auch, und das ist der vierte Hinweis Joels, die Hoffnung zu bewahre. Joel fasst diese Hoffnung in eine Zukunftsvision und sagt: Gott wird sich erbarmen. Er wird Korn, Wein und Öl senden und ihr werdet wieder satt werden.

Der tschechische Dissident und spätere Präsident Vaclav Havel hat mal gesagt: Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die der Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Ich glaube, es genau diese Hoffnung, die wir brauchen; es ist meine Glaubenshoffnung.

Die Hoffnung auf Gott und sein Tun ist aber nur die eine Seite. Denn Joel sagt alle seine Worte zur Umkehr ja, weil genauso umgekehrt gilt: Gott hofft auch auf uns. Er hofft darauf, dass wir uns wandeln und unseren Teil tun, um unser Zusammenleben zu schützen und um seine Welt zu bewahren. Und so betrachtet hoffen wir gemeinsam auf seine Möglichkeiten und auf unsere Möglichkeiten.

Und diese Hoffnung sollte man uns dann auch ansehen: Gib dir, wenn du fastest kein finsteres Aussehen, sondern mache dich schön, so sagt Jesus. Damit du die Hoffnung nicht nur im Herzen trägst, sondern ausstrahlst, mitten in unsere oftmals so verrückte Welt.

Deshalb: Wach auf und öffne dein Herz. Faste, also wenden dich ab von den Äußerlichkeiten und hin zu dem, was wirklich lebenswichtig ist. Und bewahre die Hoffnung und trage sie in die Welt, mit deinem Tun, mit seinem Segen und mit einem leuchtenden Gesicht. Das ist es, was uns der Propheten Joel am Beginn dieser Fastenzeit ans Herz legt. - Ich denke es lohnt, dem zu folgen, denn zu tun gibt es auch heute mehr als genug - für Gott und für uns.

Amen

 

9. März 2025 - Pastor Olav Metz

 

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