Tradition heißt nicht die Asche aufheben, sondern die Flamme
weiterreichen. (Ricarda Huch)

Freier Platz in der Krippe?
(zum Heiligabend 2025)

Ja, ihr lieben großen und kleinen Leute,

alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Alle Jahre wieder hören wir die alte Geschichte und sehen sie. Und dafür erstmal allen KrippenspielerInnen ein ganz herzliches Dankeschön!

Für die Predigt versuche ich mir aber trotzdem immer wieder ein bisschen was Neues einfallen zu lassen. Dabei bin ich in diesem Jahr an der Krippe hängen geblieben. Und meine Frage ist: Was haben diese Krippe und diese Tasse gemeinsam?

Zugegeben: Das ist nicht so ganz leicht herauszufinden. Deshalb will ich das kurz erklären. Ich mache das mit noch einer kleinen Geschichte und diese Geschichte geht so:

Es war einmal eine sehr fleißige Reporterin. Die hatte den Auftrag bekommen, für die Weihnachtsausgabe ihrer Zeitung einen kurzen und knackigen Artikel zu schreiben. Die Überschrift sollte lauten: Was ist das Wichtigste zum Weihnachtsfest?

Die Reporterin sauste los. Sie besuchte sechs Weihnachtsmärkte, fünf Online-Geschenk-Portale, vier Poststellen, drei Weihnachtsmannvermittlungsagenturen, zwei YouTube-Weihnachtsgottesdienste vom letzten Jahr und auch noch einen Pastor. Am Ende hatte sie gaanz viel gesehen und gehört, aber was davon jetzt das Wichtigste war – sie hatte keine Ahnung.

Müde und erschöpft kam sie nach Hause. Dort stand gerade ihre Nachbarin in der Tür und der klagte sie ihr Leid. Schon morgen müsse sie den Artikel abgeben aber sie wisse noch immer nicht, was sie denn nun schreiben soll.

Die Nachbarin überlegte einen Moment. Dann sagte sie: Du warst den ganzen Tag unterwegs und siehst sehr müde aus. Komm doch erstmal rein, ich koche uns eine Tasse Tee. Die bienenfleißige Reporterin wollte eigentlich nicht. Sie musste ja ihren Artikel schreiben. Aber weil sie eiskalte Füße hatte, ließ sie sich überreden.

Sie gingen ins Wohnzimmer, das schon weihnachtlich geschmückt war. Aber währen die Nachbarin den Tee kochte, kreisten ihre Gedanken nur um ihren Artikel: Was war denn nun das Wichtigste von Weihnachten?

Endlich kam die Nachbarin. Sie stellte ihr eine Tasse hin, nahm die Kanne und goss der Reporterin den Tee ein. Schnell war die Tasse voll. Die Frau aber goss weiter, so dass der Tee über den Rand schwappte, auf die Untertasse lief und dann sogar auf den Tisch.

Halt, was machen sie denn da!, rief die Reporterin erschrocken. Sehen sie denn nicht, meine Tasse ist längst voll!? Die Nachbarin lächelte und sagte: Das sehe ich, aber ganz genauso ist es bei dir. Du bist wie diese Tasse, überfüllt mit deiner Arbeit und deinen Verpflichtungen, mit deinen Gedanken und deinen Gefühlen. Was Weihnachten wirklich wichtig ist, das kannst du gar nicht finden, weil bei dir gar kein Platz dafür ist. Mach erstmal Platz, in deinem Kopf und in deinem Herzen. Dann wirst du auch merken, was zu Weihnachten am wichtigsten ist.

Soweit meine kleine Geschichte, die ich heute aus zwei Gründen erzähle.
Erstens, weil es ganz vielen von uns so geht, wie der fleißigen Reporterin. Wir sind voll bis zum Rand mit dem, was wir tun müssen und mit dem was wir tun wollen. Das Herz ist voll mit Wünschen, der Kopf ist voll mit Gedanken und die Tage sind voll mit Terminen. Irgendwann passt dann einfach nichts mehr rein und wenn dann doch noch was kommt, läuft es über – wie bei der Tasse.

Der zweite Grund, weshalb ich diese Geschichte heute erzähle, ist, das es eigentlich eine Weihnachtsgeschichte ist. Mit der Krippe ist es nämlich ganz genauso, wie mit der Tasse. Auch die Krippe ist ein Bild, ein Bild für jeden von uns. Weil jeder von uns wie eine Krippe ist, eine Krippe, in der Jesus bei mir ankommen soll.

Vorhin haben wir es gerade gesungen: So lass mich doch dein Kripplein sein. Aber das geht eben nur, wenn ich nicht schon bis zum Rand voll bin. Und deshalb soll die Advents- und Weihnachtszeit eben gerade nicht eine Zeit voller Hektik und Stress sein, sondern eine Zeit der Ruhe, der Stille und der Bedächtigkeit. Damit ein bisschen Platz bei uns wird, Platz für das Wesentliche.

Die bienenfleißige Reporterin, die hatte das jedenfalls verstanden. Sie trankt den Tee, legte sich erst in die Badewanne (wegen der kalten Füße) und dann ins Bett. Sie schlief richtig aus, ging am nächsten Tag in die Redaktion und lieferte dort ihren Text ab. Der lautete kurz und knackig:

Das Wichtigste zum Weihnachtsfest ist, dass du Platz machst
in deinem Kopf, in deinem Herzen und in deinem Terminkalender.
Mach Platz in dir, in deiner Krippe.
Denn Jesus kommt extra deshalb zur Welt, dass wir nicht in der Fülle untergehen,
sondern das finden, was wirklich wichtig für uns ist.

Als der Chefredakteur das las, war er nicht gerade begeistert. Das mit dem Platz ist ja schön und gut, aber da steht jetzt doch immer noch nicht, was das Wichtigste zu Weihnachten denn nun eigentlich ist. maulte er.

Die Reporterin aber lachte nur: Das kann da auch gar nicht stehen; weil du selber schauen musst, wie dieses Kind bei dir ankommt. Vielleicht als das Kind in dir oder als Sehnsucht deines Herzens. Vielleicht als Träne, die dich erlöst, als Umarmung, die dich tröstet, oder als Lachen, das dich befreit. Das ist wie bei jedem guten Geschenk: Es ist ganz individuell. Und es ist - eine Überraschung!

Ob die Zeitung das am Ende so gedruckt hat, das weiß ich nicht. Als Pastor finde ich aber, dass die fleißige Reporterin die Frage nach dem Wichtigsten von Weihnachten wunderbar beantwortet hat.

Gehört habe ich übrigens noch, dass sie am Heiligabend zusammen mit der Nachbarin Tee getrunken und danach eine leere Krippe unter den Tannenbaum gestellt haben soll. Und in diesem Sinne wünsche ich euch allen eine leere Krippe im Herzen und durch diese Krippe ein erfülltest Weihnachtsfest!

Amen

 

Heiligabend 2025 - Pastor Olav Metz

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